Herzrasen. Lampenfieber. Ich stehe unten an einer kleinen Treppe hinter der Festivalbühne, die meine Band und mich gleich ins Rampenlicht befördern wird. Tausende von Menschen stehen erwartungsvoll und grölend vor der Bühne. Plötzlich bekomme ich weiche Knie – und ich frage mich wie vor jedem Auftritt: Wie zur Hölle sollen wir es eigentlich schaffen, die Menschen da draußen mitzunehmen und zu begeistern?
Meist war diese Sorge unbegründet. Meist konnten wir das Publikum für uns gewinnen. Knapp 13 Jahre später habe ich mich beim Anschauen alter Bandfotos kürzlich gefragt, warum das eigentlich so war. Waren die Songs wirklich so gut? Waren bestimmt keine Welthits, aber wir haben sie gefeiert. Waren wir handwerklich die besten? Bestimmt nicht, aber das war uns egal. Rückblickend ist mir klar geworden, dass wir die Menschen immer dann für uns gewinnen konnten, wenn wir mit echter Begeisterung am Werk waren und man gespürt hat, dass wir das, was wir tun, lieben. Immer dann sprang der Funke über.
Ohne Begeisterung ist noch nie etwas Großes erreicht worden. (Ralph Waldo Emerson, 1803-1882)
Aufs Business übertragen heißt das: Nur, weil ein Unternehmen die besten Produkte am Start hat und die besten Gehälter zahlen kann, heißt das noch lange nicht, dass es auch die besten Talente für sich begeistern kann. Klar hilft eine starke Arbeitgebermarke. Natürlich helfen gute Gehälter. Selbstverständlich hilft ein starkes Recruiting-Team. Aber das alleine reicht nicht. Wenn die Menschen in einem Unternehmen nicht selbst überzeugt und begeistert von dem sind, was sie tun, warum sollten es dann die Talente auf dem Arbeitsmarkt sein? Ob meine womöglich zukünftige Führungskraft sich für ihren Job wirklich begeistert, erspüre ich als Talent spätestens im ersten Vorstellungsgespräch.
Ich selbst wurde auch schon von aufrichtiger Begeisterung angesteckt. Von meiner Mitgründerin Miriam Mertens. Letztlich waren es ihre Authentizität und ihre Begeisterung für das Thema menschenzentrierte Führung, die mich dazu bewogen haben, DeepSkill mit ihr zu gründen – statt womöglich eine andere Unternehmung zu starten. So habe auch ich Feuer für unsere gemeinsame Mission gefangen, die Arbeitswelt menschlicher zu machen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden unsere Begeisterung spüren und so selbst beginnen für unsere Idee zu brennen.
Leadership is an action, not a position.
Nicht nur Musiker und Gründer stehen in der Verantwortung, ihr Publikum bzw. ihr Team für die Arbeit und das Unternehmen zu begeistern und emotional zu binden. Auch Führungskräfte müssen diese wichtige Aufgabe bewältigen. Laut der Gallup Studie 2020 ist die emotionale Bindung ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn diese Bindung impliziert, dass der Mitarbeitende sich aus freien Stücken für den Arbeitgebenden einsetzt. Je höher die Anzahl an „begeisterten“ Teammitgliedern, desto höher ist die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Die Studie stellte außerdem fest, dass die Führungskraft und gelebte Führungskultur der maßgebliche Hebel für die emotionale Bindung sind. Hier gilt es also sich als Führungskraft auch selbst zu hinterfragen. Und als Unternehmen in die emotionalen Fähigkeiten der Führungs- und Nachwuchsführungskräfte zu investieren.
Wenn Musiker Menschen in Fans verwandeln können, warum sollte das nicht auch Gründern & Führungskräften gelingen?
Ich bin fest davon überzeugt: Gründer und Führungskräfte können Talente stärker anziehen als die beste Arbeitgebermarke – und durch Begeisterungsfähigkeit und Authentizität in begeisterte Teammitglieder verwandeln. Was ich als Musiker gelernt habe, ist, dass man Fans für sich gewinnt, wenn man authentisch und ehrlich ist.
So wie sich Personen nicht verrenken sollten, um jemand zu sein, der sie nicht sind, sollte Leadership nicht standardisiert werden. Jede Führungskraft muss bereit dazu sein, ihren eigenen, individuellen Führungsstil zu finden und gleichzeitig die eigenen Werte und die Werte der Unternehmenskultur transparent nach außen zu kommunizieren. Nichts verwirrt einen Mitarbeitenden mehr, als wenn die festgeschriebenen Unternehmenswerte von der Führungskraft nicht gelebt werden. Diese Diskrepanz führt dazu, dass sie sich vom Unternehmen abwenden.
Begeisterung ist ansteckend.
Wir leben in vielen verschiedenen sozialen Gefügen und können so von diesen auch stark beeinflusst werden. Die gute Nachricht ist: Genauso wie du beeinflusst werden kannst, kannst auch du viel bewirken, vor allem auch auf Führungsebene.
Meine drei Key Take-Aways dabei:
1. Emotionalität ist der Schlüssel: Freude und Motivation an der Aufgabe sind ansteckend nicht abschreckend. Die Energie, die eine Führungskraft ausstrahlt, bestimmt maßgeblich die Leistung und Stimmung des Teams.
2. Kooperation statt Konkurrenz: Begeisterung entsteht nicht nur von innen, sondern ist vor allem durch zwischenmenschliche Interaktion geprägt. Gemeinsame Ziele und Werte verstärken den Teamzusammenhalt und das Vertrauen. So entsteht die Möglichkeit, Emotionalität zuzulassen und Begeisterung für seine Aufgaben zu empfinden.
3. Raum zum Wachsen: Um Begeisterung aufrecht zu erhalten, bedarf es vieler Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Diese sollten auch im Unternehmensumfeld verankert sein.
Jedes Bewerbergespräch ist eine Chance, einen Menschen für dich und dein Unternehmen zu begeistern.
Sicher ist nicht jeder Führungsjob dafür geeignet, sich auch wirklich aufrichtig dafür begeistern zu können. Und nicht jeder kann sich den Job aussuchen, für den er wirklich brennt. Was aber einen Versuch wert ist, ist zumindest den Mehrwert in seinem Handeln für andere, die Kundinnen und Kunden, zu erkennen. Und daraus eine positive Haltung abzuleiten. Und, im Hinblick auf den Wettbewerb um Talente, vor allem, sich bewusst zu machen: Jedes Gespräch mit einem potentiellen Mitarbeitenden ist eine Bühne, auf der ich die Chance habe, jemanden für mich und mein Unternehmen zu begeistern. Und das macht am Ende den Unterschied und wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Wettkampf um Talente.